Zur Historie
Die ersten Erwähnungen der kleinen Kirche gehen auf das Jahr 1106 zurück, doch sie ist vermutlich viel älteren Ursprungs. Die Zuordnung des «Santo», des Heiligen, ist historisch mehrdeutig. In den Dokumenten findet man unterschiedliche Zuschreibungen: Zu Beginn war sie Romedius gewidmet, einem Laienbruder aus dem Ende des 4. Jahrhunderts, der aus einer Adelsfamilie stammte und nach einer Pilgerreise nach Rom beschloss, ein Leben als Einsiedler zu führen. Von seinem Beispiel inspiriert, beschlossen mehrere Familien ungefähr um das Jahr 1000 n. Chr., sich in Gemeinschaften des Glaubens und der Gastfreundschaft zurückzuziehen, und so entstand San Romerio.
Romedius wurde später durch die bekanntere Figur namens Remigius überlagert, dem Bischof von Reims, der im 5. Jahrhundert lebte und für
das aufkommende Christentum in Frankreich von grosser Bedeutung war. Heute ist die Kirche dem Hl. Romerius geweiht; dieser Name verweist wieder auf die Ursprünge als Einsiedelei.
Die Figur des Heiligen ist mittlerweile fest in der Vorstellungswelt der lokalen Bevölkerung verankert: Einer alten Legende zufolge wurde er vom Teufel in Gestalt einer Ziege verfolgt und suchte Zuflucht auf der Hochebene. Dabei hinterliess er, nach einem letzten rettenden Sprung, in einem Felsen in der Nähe der Kirche den Hufabdruck seiner Ziege zusammen mit dem seines Stocks und seiner Stiefel.
Die kleine Kirche beherbergte Wanderer und Hirten, die in der Sommerzeit Wanderweidewirtschaft auf dem Saumpfad entlang des Berninapasses betrieben; 1237 erfolgte der Zusammenschluss mit der Kirche Santa Perpetua oberhalb von Tirano.
San Romerio, lange von den Gemeinden Brusio und Tirano jeweils für sich beansprucht, wurde 1517 von Leone X durch eine päpstliche Bulle der Wallfahrtskirche Madonna di Tirano zugesprochen, zusammen mit dem Pilgerhaus, das heute von der Associazione San Romerio verwaltet wird.